清晨一篇~ Das Titanic-Syndrom

Von Frank Hornig

"Katrina" konfrontiert die US-Gesellschaft mit einem ihrer groesten Tabus: der wachsenden Armut in einem der reichsten Laender der Welt.

Die Austernfischer von Pionte a la Hache haben es nicht leicht gehabt.

Zehn Stunden pro Tag ist Tinson Myron Lamar früher mit seinen Kumpanen in den Golf von Mexico gefahren, hinaus zu den Baenken, wo die begehrte Gulf-Coast-Oyster siedelt. Lamar hat das Boot geschrubbt, die anderen sammelten die Austern ein, am Abend wurde geteilt. Zwei Dollar für jeden Erntesack, das war der Anteil von Lamar. An guten Tagen hat er so 100 Dollar geschafft.

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Dann kam "Katrina", der Hurrikan, und hat alles zerstoert, die Austernbaenke und das Boot, sein Haus und sein Dorf, das nur einige Meilen suedlich von New Orleans im Mississippi-Delta liegt - oder vielmehr: lag

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Nun sitzt Lamar auf einem Feldbett in Baton Rouge und sortiert die Trümmer seines Lebens: Er ist 43, seit 24 Jahren hat er Fischerboote geputzt, etwa 2000 Dollar im Monat oder 24 000 Dollar im Jahr hat das gebracht, wenn er nicht krank war und keinen Urlaub nahm.

Es reichte gerade, um seine Frau zu ernaehren und die drei Kinder und um sein kleines Haus im Camping-Park zu finanzieren, eine Mischung aus Wohnwagen und Baracke. Für eine Sturm- und Flutversicherung reichte es nicht. Im Fernsehen hat er Luftaufnahmen seines Ortes gesehen, alles kaputt. "Wir müssen von vorn anfangen", sagt er.

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Das River Center in Baton Rouge ist eine der wichtigsten Sport- und Veranstaltungshallen Louisianas. Am linken Rand des Spielfelds leben derzeit auf ein paar Matratzen die Lamars. Direkt daneben kampiert Lennox Battle, 40, mit seiner Frau und vier Kindern, Austernfischer auch er. Seine Schneidezaehne: hoechst lückenhaft, ein Zahnarzt waere zu teuer. Krankenversicherung? Undenkbar.

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"Es ist so schwer, alle Rechnungen zu bezahlen", sagt er. Nebenan döst Dennis Lanico, Koch aus New Orleans, der ebenfalls vor dem Nichts steht wie all die anderen hier, die schon vor der Flut kaum etwas besaßen. Über 4000 Menschen hat es in diese Halle gespült. Die meisten sind arm oder kinderreich, schlecht ausgebildet oder schwarz. Etliche sind alles zugleich.

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Und Amerika? Hat in die Fluten von New Orleans geschaut und Armut und Elend unfassbaren Ausmasses gesehen, hunderttausendfach. Das abfliessende Wasser legt neben Leichen und Unrat auch erschreckende Einblicke in die Lebensbedingungen am unteren Rand der US-Gesellschaft frei.

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