- 积分
- 5068
- 威望
- 1710
- 金钱
- 0
- 阅读权限
- 90
- 在线时间
- 158 小时
|
俄国人没烧酒喝了
Dem Wodka-Land geht der Fusel aus
Ausgerechnet im trinkfesten Russland sind für Wodka- und Weinfreunde harte Zeiten angebrochen: Die Preise für Alkohol steigen, viele Sorten sind gar nicht mehr zu bekommen. Schuld sind Wladimir Putin und ein absurdes bürokratisches Chaos.
Moskau - In den Filialen der Moskauer Alkoholika-Kette "Welt des Aromas" sieht es neuerdings eher aus wie in einem Möbelgeschäft: Überall sind schicke Regale zu sehen - nur fehlt oft die Auslage darin. Wein, Likör und selbst Wodka sind rar geworden. Vor allem bei der Frage nach Importweinen zucken die Verkäufer immer häufiger die Schultern: "Haben wir nicht".
In vielen großen Supermärkten ist das Angebot noch vergleichsweise reichhaltig, doch selbst hier gibt es schon Unzufriedene. Im Edel-Markt "Siebter Kontinent" dreht ein Pärchen vor den Wodka-Regalen seine Runden. "Nehmen wir Flagman-Wodka?", fragt die Ehefrau ihren Angetrauten. Der runzelt die Stirn, nickt aber dennoch. "Es gibt ja nichts anderes", knurrt er. "Höchstens noch den Topas, aber davon brummt einem der Schädel." Der nicht weit entfernt stehende Edelwodka "Russki Standard" wird von den beiden ignoriert. Er ist für die geplante Geburtstagsparty schlicht zu teuer.
Alkohol-Knappheit in Russland? Die Situation hat sich inzwischen derart zugespitzt, dass die von Präsident Wladimir Putin ins Leben gerufene Bürgerkammer - eine Dachorganisation von nicht staatlichen Organisationen - sich in einem Offenen Brief an die Regierung wandte und darum bat, das Problem zu lösen. Und zwar schnellstmöglich. Man fühle sich angesichts der leeren Regale schon per Zeitmaschine zurückversetzt in die Zeit des "großen Defizits", schrieben die Bürgervertreter. Andere erinnern sich an Gorbatschows Antialkoholkampagne zu Beginn der Perestroika, mit der der Generalsekretär damals die Sowjetunion trocken legen wollte.
Kampf gegen den illegalen Fusel
Tatsächlich hat Putin selbst - vermutlich unabsichtlich - die Entzugserscheinungen ausgelöst. Im Sommer vergangenen Jahres hatte er verstärkte staatliche Kontrolle über den Alkoholmarkt gefordert, um den Kampf gegen illegalen Fusel und dessen oft tödliche Folgen aufzunehmen. Immerhin waren Schätzungen zu Folge zwischen 30 bis 60 Prozent der gesamten Alkoholproduktion schwarz gebrannt. An Suff und gepanschten Alkoholika starben jährlich bis zu 70.000 Menschen in Russland.
Putins Wink genügte, um das bis dato tatenlose Heer der Bürokraten, die teilweise sogar an der Schwarzproduktion klammheimlich mitverdienten, in Bewegung zu setzen. Innerhalb weniger Monate schufen die diensteifrigen Beamten ein System, das die automatisierte Kontrolle über den gesamten Alkoholumlauf in Russland sicher stellen soll.
Seit Jahresbeginn gelten daier neue Regeln für die Lizensierung, den Import und die statistische Erfassung von Spirituosen. Alle alkoholischen Getränke (außer Bier) müssen mit einer Steuermarke mit Strichcode gekennzeichnet werden. Dieser fälschungssichere Strichcode enthält Daten, der die automatische Kontrolle über Hersteller und dessen Produktion ermöglichen soll.
Überschreitet ein Hersteller die lizensierte Menge - zum Beispiel, weil auf seinen Anlagen in Nachtschichten bieneneifrig weiterproduziert wird - oder gelangt gar Schwarzgebrannter in den Handel, reicht die Überprüfung des Strichcodes aus, um illegale Ware festzustellen und auszusondern.
Doch in der Eile wurden die technischen Probleme übersehen. So gab es bereits zu Jahresbeginn die ersten Produktionsausfälle, weil nicht genügend Steuermarken im Umlauf waren. Und bis heute gibt es Schwierigkeiten, die entsprechende Software in den Betrieben zu installieren, um die tatsächliche Produktionsmenge zu erfassen. Programmfehler und Systemüberlastungen des Servers, der die Information erfassen sollte, sind eher die Regel als die Ausnahme. Importierte Spirituosen müssen nun in Russland neu markiert werden, was zusätzlichen Aufwand und Geld bedeutet.
Bis zum 1. Juli galt noch eine Übergangszeit, um alte Ware abzusetzen - nun ist sie abgelaufen. Doch die Produktion neuer Ware läuft schleppend, so dass die Versorgungslöcher immer größer werden.
Streit um den Wein aus dem Süden
Hinzu kommt noch ein politischer Streit mit Russlands größten Weinimporteuren Georgien und Moldawien. Offiziell führten krasse Verstöße gegen Hygiene-Vorschriften zum Einfuhrstopp für die Traubenprodukte aus den beiden Ländern. Es seien dort Rückstände von Pestiziden und Schwermetallen entdeckt worden, begründete der oberste russische Amtsarzt Gennadi Onischtschenko das Verbot vor vier Monaten. Georgiens Präsident Michail Saakaschwili hingegen warf Russland vor, die georgische Wirtschaft schädigen zu wollen. Das Importverbot sei politisch motiviert, sagte er.
Tatsächlich waren georgische und moldawische Weine bei den Russen sehr beliebt. Von dem jetzigen Verbot sind besonders Restaurantbesitzer betroffen. Bei manchen von ihnen ist die Auswahl der Weine auf die Frage: "Rotwein oder Weißwein?" zusammengeschrumpft.
Ganz so schlimm sieht es im georgischen Restaurant "Alaverdi" im Zentrum Moskaus noch nicht aus. "Ich bin auf französische Weine umgestiegen", sagt der Besitzer Tomasi, ein Georgier, der seit Jahren in Moskau lebt. Doch natürlich trauert auch er georgischem Wein nach.
Früher habe er selbst Wein hergestellt, sagt er. "Der entsprach allen Qualitätsanforderungen, was mir auch immer wieder bestätigt wurde. Trotzdem darf ich ihn nun nicht mehr verkaufen. Wenn die Gäste fragen, warum es keinen georgischen Wein mehr bei mir gibt, muss ich ihnen sagen, dass mir das Gesetz verbietet, ihn zu verkaufen."
Zahlreiche Moskauer Geschäfsleute handeln inzwischen mit Wein aus den traditionellen Anbaugebieten an der russischen Schwarzmeerküste bei Krasnodar und Anapa, der mittlerweile durchaus genießbar ist. Doch für den Ersatz hat Tomasi gar nichts über. "Der ist schlechter als georgischer Wein, das ist ganz klar", sagt der Georgier.
Ob georgischer Wein in näherer Zukunft wieder Moskauer Regale füllen wird, ist nicht abzusehen. Immerhin verspricht nach der Regierungsschelte der Chef der Steuerbehörde, Anatoli Serdjuk, das drohende Wodka-Defizit innerhalb von zwei Wochen zu beseitigen. Die russischen Medien freilich teilen seinen Optimismus nicht.
So veröffentlicht die Boulevardzeitung "MK" auf ihrer ersten Seite Rezepte zur Herstellung von "Samogon", dem russischen Selbstgebrannten. Ob dies das gewünschte Resultat der Reform ist, darf getrost bezweifelt werden.
Quelle: Spiegel Online |
|