Vom Unglück Kinder zu haben und vom Glück Däne zu sein
Die Glücksforschung stellt sich die Frage nach dem besten Weg zum Glück. Dabei kommt sie zu erstaunlichen Ergebnissen.
Glück - was ist das eigentlich? Gibt es das wahre Glück? Und wie kann man es erreichen? Und halten? Das sind nicht nur Fragen, die sich jeder Mensch im Laufe seines Lebens stellt, sie sind inzwischen auch Fragen der Wissenschaft. Seit den frühen 1980er-Jahren hat sich eine neue Wissenschaftsrichtung etabliert, die sich Glücksforschung nennt. Sie ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die ebenso Aspekte der Psychologie und Soziologie wie der Wirtschaftswissenschaften oder der Umweltforschung berücksichtigt. An Universitäten weltweit haben sich Wissenschaftler auf die Glücksforschung spezialisiert, in vielen Städten gibt es spezielle Institute für Glücksforschung.
Es liegt das Glück im Staate Dänemark
Was genau sind diese Ergebnisse und was sind die Ziele der heutigen Glücksforscher? Der Soziologieprofessor Ruut Veenhoven von der Erasmus Universität Rotterdam beschäftigt sich seit seinen ersten Studientagen mit der Frage nach dem menschlichen Glück. Ende der 1990er Jahre hat er das Internetportal "World Database of Happiness" gegründet, das die aktuellen Ergebnisse zur Glücksforschung vereint und allen Interessierten zugänglich ist. Auf dieser Website kann man zum Beispiel herausfinden, in welchen Ländern die glücklichsten Menschen der Welt leben. Zurzeit liegt Dänemark an der Spitze mit 8,2 von 10 möglichen Punkten, die die Befragten ihrer Zufriedenheit geben konnten. Ganz unten liegt Tansania mit 3,2 Punkten. Deutschland rangiert mit 7,2 im oberen Mittelfeld.
Kinder bringen Unglück
Auch Professor Veenhoven meint, dass die erste Voraussetzung zu einem glücklichen Leben sei, im richtigen Land zu wohnen. Hinzu komme, dass man nicht allein lebe. Auch hierzu gibt es eine Graphik: die Kurve schnellt nach der Hochzeit rasant nach oben und fällt in den folgenden Jahren nur geringfügig ab und nie so tief wie bei Alleinlebenden. Es sei denn, es kommen Kinder ins Spiel. Entgegen landläufiger Meinung zeigen die Statistiken, dass das Kinderglück vielmehr ein Kinderunglück ist: Die Kurve fällt ins Bodenlose und erreicht nie wieder eine akzeptable Höhe: "Kinder haben einen konstant negativen Einfluss auf das Glück der Menschen und die Qualität der Ehe", bilanziert Veenhoven nüchtern aus den Forschungsergebnissen. Besonders unglücklich seien Frauen, die der Doppelbelastung von Kindern und Beruf ausgesetzt sind. Beruhigen kann Eltern vielleicht, dass die Glückskurve im Alter wieder steigt. Wenn die Belastungen von Kindererziehung und Beruf dem Ende entgegengehen, zeigen sich die 50 bis 60-jährigen wieder zufriedener mit ihrem Leben.
Andere Länder, anderes Glück
Welchen Sinn haben diese Forschungen? "Arme Staaten brauchen die Glücksforschung nicht, dort ist es ziemlich klar, wie man glücklicher werden kann", meint Ruut Veenhoven. Das Problem seien vielmehr die wohlhabenden Staaten, die keine offensichtlichen Gründe liefern, warum ihre Bewohner unglücklich sein sollten. Dort liegen 50 Prozent der Probleme in der Psychologie des Menschen begründet. In der besten aller Welten gäbe es keine äußeren Gründe mehr für menschliches Unglück: "Wenn wir im Paradies lebten, dann wären alle Glücksprobleme psychologischer Natur."
Glücksgene und/oder Therapie
Was tut aber nun ein reicher, verheirateter, kinderloser Däne, wenn er kein Lebensglück finden kann? Er muss sich Fragen stellen, sagt Veenhoven: "Was stimmt mit mir nicht? Wie ist meine seelische Gesundheit? Habe ich die richtige Lebensweise gewählt? Kann ich etwas Schönes aus meinem Leben machen?" Wenn man keine befriedigenden Antworten findet, so kann man den Weg zu einem Psychologen einschlagen, um Abhilfe zu schaffen. Dabei fällt es einigen Menschen leichter, glücklicher zu werden. "Die Fähigkeit, glücklich zu sein, ist ebenso wie Intelligenz angeboren, aber man kann nicht sagen, in welchem Ausmaß", sagt Veenhoven.
Herausforderungen machen glücklich
Doch ist immerwährendes Glück tatsächlich der Königsweg zu einem erfüllten Leben? Der irische Schriftsteller George Bernard Shaw sah das nicht so: "Glück ein Leben lang! Niemand könnte es ertragen: Es wäre die Hölle auf Erden." Auch Veenhoven meint: "Zum wirklichen Glücklichsein braucht man im Leben auch Probleme. Wenn wir Herausforderungen begegnen, dann bleiben wir physisch und mental fit und deswegen fühlen wir uns gut." Der Mensch muss nicht nur gefordert werden, er muss auch beschäftigt sein. Nach den Ergebnissen der Glücksforschung muss man nicht unbedingt einen Arbeitsplatz haben, um glücklich zu sein, aber man muss einer Tätigkeit nachgehen, die fordert und interessant ist.
Ein Paradies des Glücks
Die Fähigkeit zu vergessen, kann hilfreich sein auf dem Weg zum Glück, so wie Thomas Brussig in seinem DDR-Jugend Roman "Am kürzeren Ende der Sonnenallee" konstatiert: "Glückliche Menschen haben ein schlechtes Gedächtnis und reiche Erinnerungen." Doch dies stimmt nach den bisherigen Erkenntnissen der Glücksforscher nicht, wie Veenhoven betont: "Die glücklichsten Leute sind nicht egodefensiv", das heißt, dass sie ihre Vergangenheit und ihre Fehler nicht verklären, sondern sich ihnen stellen.
Auch wenn die Glücksforschung als Zweig der Wissenschaft neu ist, so ist die Suche nach dem Kern des Glücks doch kein Novum. Bereits Demokrit wusste: "Das Glück wohnt nicht im Besitze und nicht im Golde, das Glücksgefühl ist in der Seele zu Hause." Und Aristoteles stellte fest: "Glück ist Selbstgenügsamkeit". Fast jeder Schriftsteller und Philosoph hat sich zum Glück geäußert. Jetzt wird es als Wissenschaft in Statistiken und Graphiken festgehalten in der Hoffnung, dass es einst ein Paradies geben wird, in dem nicht einmal die Psyche des Menschen Unglück schaffen kann.