Deutsche BuchpreisKein HabenichtsKatharina Hacker hat den "Deutschen Buchpreis" gewonnen. Ein Portrait über die Autorin, deren Figuren mit aller Kraft leiden und lieben.
In dem Roman "Die Habenichtse", für den die Schriftstellerin Katharina Hacker am Montagabend in Frankfurt den "Deutschen Buchpreis 2006" erhalten hat, fragt eine Freundin die andere: "Aber warum wollt ihr heiraten?" Die Antwort kommt zögernd: "Es ist so passend."
Enthusiastische Familiengründer klingen anders. Auf den ersten Blick könnte man meinen, hier sei schon vor der Eheschließung alle Leidenschaft erkaltet. Aber das ist nicht so. Die Figuren dieser Autorin leiden und lieben mit aller Kraft, aber ein Misstrauen gegen sich selbst und die festen Formen, in die das Leben umso sicherer einzulaufen droht, je älter man wird - das werden sie nicht los.
Katharina Hacker, geboren 1967 in Frankfurt am Main, zu einer Zeit, als dort Steine flogen und Demonstrationszüge durch die Stadt zogen, gehört einer Generation an, die vom Übergang der alten Bundesrepublik in das neue, wiedervereinigte Deutschland geprägt ist.
Zu diesem Übergang gehört die Internationalisierung der Bundesrepublik, die Verschränkung von Zeitgeschichte und Weltpolitik, und in den Biographien der Heranwachsenden die Ausdehnung der Erfahrungsräume. Nah ist in "Die Habenichtse" das Amerika des 11. September 2001, Umzüge führen von Berlin nach London. Ihr literarisches Debüt gab Katharina Hacker mit der Stadterzählung "Tel Aviv" (1999) gegeben.
Ihr Studium der Philosophie, Geschichte und Judaistik begann sie in Freiburg und setzte es 1990 an der Hebrew University in Jerusalem fort, wie später eine Hauptfigur ihres Romans "Eine Art Liebe" (2003). Mitte der 1990er Jahre nach Deutschland zurückgekehrt, übersetzte sie Bücher aus dem Hebräischen ins Deutsche.
Der Roman ist hierzulande die Königsdisziplin, die Hauptstraße zum literarischen Erfolg. Der Deutsche Buchpreis, der in diesem Jahr zum zweiten Mal vergeben wird, zeichnet jährlich "den besten Roman in deutscher Sprache" aus, nicht Erzählbände, Essays oder Tagebücher. Ein unbescheidenes Ziel. Katharina Hacker, darin dem Zögernd-Tastenden ihrer Figuren verwandt, hat ihr Schreibtalent in dem Erzählband "Morpheus oder Der Schnabelschuh" (1998) oder der "Skizze über meine Großmutter" (1999) erprobt, ehe sie ihren ersten Roman veröffentlichte: "Der Bademeister" (2000). In einem gurgelnden, in Abwärtsbewegungen kreisenden Monolog rebelliert darin der Held, ehemaliger kleiner Diktator im nun geschlossenen, maroden Stadtbad in Prenzlauer Berg, gegen den Untergang seines Lebens.
Aus dem wiedervereinigten Nachwendedeutschland führen bei Katharina Hacker zwei Erzählstränge heraus: der eine über die Nachkriegszeit zurück in Nationalsozialismus und Krieg, der andere nach Israel. Einmal hat sie alles Zögern und alle Bedenklichkeit abgelegt. Ihrem Kollegen Martin Walser warf sie wegen des Romans "Tod eines Kritikers" im Juni 2002 "widerwärtigen Antisemitismus" vor und schrieb dem damaligen Leiter des Suhrkamp Verlags: "Ich bin keine Kollegin von Herrn Walser, unter keinen Umständen." In diesem Jahr war sie eine: Auch Walser stand mit seinem neuen Roman auf der Shortlist zum Buchpreis 2006.