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Zwischen Leben und Tod Q- x7 A R7 k7 X$ c9 P3 L- G 3 r/ i- L. Z7 v6 p, C5 a% s9 d8 O, M8 C. ]( a t. ~
1 Y6 j7 |* b9 V- m1 w29. März 2007 5 K% ~' j2 F! z; L
Die Debatte über die Patientenverfügung hinterlässt einen atomisierten Bundestag.$ C- { v" y; O, `) w
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Es war eine Debatte über Leben und Tod, der sich der Bundestag in drei Dutzend Reden mehr als drei Stunden lang unterzogen hat. Das Ergebnis: Das Parlament ist in seinen Ansichten atomisiert. Keine der persönlichen Stellungnahmen passte bis in die letzten Einzelheiten zu einer anderen, auch wenn die für ein Gesetzgebungsverfahren federführenden Redner ob des vermeintlichen Zwangs zur Mehrheitsbeschaffung sich jeweils zu einem der beiden Entwürfe bekannten. Die Erfolgsaussichten werden nicht dadurch sicherer, dass nur etwa ein Viertel der Abgeordneten überhaupt im Plenum anwesend war. Die übrigen Parlamentarier werden am Schluss des noch nicht eröffneten Gesetzgebungsverfahrens auch nicht blindlings für einen der vorliegenden Texte oder für einen dritten Entwurf stimmen. Schon gar nicht wird es bei aufgehobenem Fraktionszwang den automatischen Sieg einer der vorliegenden Initiativen geben. Die Behauptung eines Abgeordneten, der von ihm abgelehnte Vorschlag sei "verfassungswidrig" und allein der ihm sympathische entspreche dem Grundgesetz, war Parlamentsvoodoo.1 S" U: J1 j7 {0 O2 O4 ~
2 g! {; f6 Q1 K6 W1 K5 ^ 2 `% u4 c0 q: p& B* T& t, xFür ein Verfassungsorgan, dessen Hauptaufgabe die Gesetzgebung ist und dessen Mitglieder nichts lieber tun, als Vorschriften zu ersinnen, wurde auffallend oft darauf hingewiesen, dass es eigentlich besser wäre, gar kein Gesetz zur Patientenverfügung zu erlassen oder zuerst andere Regelungsbedürftigkeiten aufzuarbeiten - von der Zuständigkeit der Vormundschaftsgerichte bis hin zur Personalbereitstellung für Hospize und sonstige Sterbebegleitung. Auch gab es einen nicht immer sinnigen Widerstreit zwischen dem Versuch, von Einzelfällen auf das allgemein Notwendige zu schließen, und dem Streben, die Alltagstauglichkeit eines Vorschlags mit Einzelfällen zu belegen. 9 p1 {& |6 l% }, Y8 c; a9 ^0 q' e' k% `( Y, o, X4 T
2 t6 n: V- V" H: QNeben den hehren verfassungsrechtlichen Berufungen auf Menschenwürde, Lebensschutz und Selbstbestimmungsrecht stand die Warnung, nicht Schicksal spielen zu wollen. Tatsächlich ist der Gesetzgeber seit vielen Jahren zum ersten Mal wieder mit der Frage konfrontiert, in den Wechsel vom Leben zum Tod einzugreifen. Das hatte er zuletzt bei der Neuregelung der Abtreibung getan. Und es ist daran zu erinnern, dass der Bundestag damals mit seinem ersten, aus der Selbstgewissheit seiner Mehrheitsüberzeugung gefällten Beschluss vor dem Bundesverfassungsgericht jämmerlich gescheitert ist. Auch diesmal könnte es so kommen, denn der deutsche Staat ist auf den Grundsatz verpflichtet "Im Zweifel für das Leben" - auch wenn der wie immer als Volkes Stimme zitierte Taxifahrer der gegenteiligen Auffassung ist. 6 e/ F5 N! v! Q; M$ w8 M3 v2 X {8 X9 B* w8 B3 i, m
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Die praktischen Punkte einer Patientenverfügung erwiesen sich denn auch als die schwierigsten in der Debatte. In welchen Fällen soll sie gelten? Wie alt darf sie sein? Dabei gingen die meisten Redner nicht einmal auf den einfachsten Anwendungsfall ein. Ist das persönliche Herbeirufen eines Arztes, ob im Notdienst auf dem Lande oder vom Bett im Krankenhaus aus, aus Angst vor einem Herzinfarkt oder einem Erstickungsanfall dem Sinne nach nicht schon eine deutliche Absage an die eigene frühere Patientenverfügung, bei Herzstillstand nicht wiederbelebt werden zu wollen? Um hierüber zu entscheiden, bleiben dem Arzt nur Sekunden. Einig war sich ein Teil der Parlamentarier, dass das Selbstbestimmungsrecht des Patienten in allen Äußerungsformen gleich gewichtig sei und ein altes Papier nicht den Ausschlag geben könne gegenüber einer vielleicht unbeholfeneren Willensbekundung aus jüngster Zeit. 1 R8 j: t) t# D( `$ o% H, K$ N4 _8 o7 m) n2 U
, y, V: }! s( Z3 T8 H- i5 J+ K ?* F( _Die Empfehlung einer Abgeordneten, die Ärztin von Beruf ist, dass alle Patientenverfügungen nur nach Beratung mit einem Arzt verfasst werden sollten, verdeutlich zwar die Schwierigkeit der medizinischen Laien - selbst die Bundesjustizministerin gestand ein, auf Grund der Textbausteine aus ihrem Hause viele Stunden bis zu einem befriedigenden Ergebnis gebraucht zu haben. Aber: Wozu soll ein Arzt, dazu von einem Patienten aufgefordert, raten? Er soll Stellung nehmen zu theoretischen Behandlungsmöglichkeiten, die nicht er, sondern mit einiger Wahrscheinlichkeit ein anderer einsetzen wird. Je jünger der Ratsuchende ist, umso weniger lässt sich der bis zu seinem Lebensende zu erwartende medizinische Fortschritt abschätzen. Obwohl das ärztliche Tun zu großen Teilen aus Beratung und Empfehlungen zu Lebensfragen besteht, ist das befundlose Prognostizieren von Eventualfällen etwas grundsätzlich anderes als der Rat an einen Krebspatienten, für die nächsten Monate vorzusorgen. Je freischwebender die Formulierung einer Patientenverfügung von einem Laien und einem Arzt erörtert wird, umso mehr kommen die weltanschaulichen und lebensphilosophischen Einstellungen des Ratgebers zum Tragen, ohne dass der Beratene dessen Motive genau erfassen könnte. , x: S; W" C% l' {0 i : Z5 Q* U. I) X2 u) P5 _; n' K* z$ N' V # h- L5 S. q, H. yNicht zuletzt ist anzunehmen, dass ein neues Gesetz den Druck zur Erstellung einer Patientenverfügung beziehungsweise zu deren Übergabe an Betreuungseinrichtungen wachsen lassen wird. Da könnte der bewusste Verzicht einer gesunden Person dem später schwachen Menschen als fahrlässiges Unterlassen vorgehalten werden, das schleunigst geheilt werden müsse. Dass dies rechtswidrig ist, wird nur die wenigsten Pflegebedürftigen schützen, denn der Staatsanwalt wird von einem solchen Fall erst erfahren, wenn es über die Umstände des Todes Streit gibt. 7 [, t* L/ K% A9 W+ e3 d' W# c8 t' a" |; f; X: J: I& K
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So gut die Debatte dem Bundestag anstand, so fatal wäre es, wenn nun die Koalitionsstrategen die Oberhand gewännen und einen "Erfolg" einforderten. So vielfältig und widersprüchlich die Meinungen waren, so unglaubwürdig wäre es, wenn die Bundestagsmehrheit sich bis zur Sommerpause auf ein Gesetz einigen würde.