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标题: [国际新闻] 6月2日 Dieser Tag hat die Republik verändert [打印本页]

作者: 日月光    时间: 2007-6-2 18:14     标题: 6月2日 Dieser Tag hat die Republik verändert

Irgendwann wird Christa der Tumult zu viel. In der Krummen Straße macht die Polizei Jagd auf Demonstranten. Sie ist schwanger, vor sechs Wochen hat sie ihren Benno geheiratet. Sie verabschiedet sich von ihrem Mann, fährt mit der U-Bahn nach Hause. Benno Ohnesorg trägt an diesem Tag „Jesuslatschen“, eine helle Hose und ein knallrotes Hemd.. e3 }) B/ }0 c, O7 J( n8 @
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Christa hat es ihm geschenkt. Sein Transparent, einen Kopfkissenbezug, hat er zusammengerollt. „Autonomie für die Teheraner Universität“ hat der Student der Germanistik und Romanistik an der FU Berlin darauf geschrieben. Den Schuss hört seine Frau nicht mehr. Es ist ein warmer Freitag, der 2. Juni 1967.
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3 c' ]3 r8 o$ IBild aus den Unterlagen der Freien Universität Berlin
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„Er war auch kein Revoluzzer“
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; d8 f# ^- E% o" Z3 K( aWas geschah an diesem Tag in West-Berlin? Der Autor Uwe Soukup hat das vier Jahre lang erforscht, Archive ausgewertet, Zeitzeugen befragt. Das Ergebnis ist die Geschichte einer folgenreichen Eskalation. Der Schah von Persien ist zu Besuch in der Stadt, Demonstranten empfangen ihn am Morgen vor dem Rathaus Schöneberg. Benno Ohnesorg ist dabei. Der gelernte Schaufensterdekorateur hat schon einmal demonstriert, gegen die Bildungspolitik der Bundesregierung.
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Unpolitisch ist er nicht. „Aber er war auch kein Revoluzzer“, erinnert sich ein Freund, „keiner, der an vorderster Front Steine geworfen hätte.“ Nach dem Abi auf dem zweiten Bildungsweg in Braunschweig war er nach Marokko getrampt, hatte begonnen, Arabisch zu lernen. Er fuhr zu FDJ-Treffen nach Ost-Berlin. „Er hat durchaus Ansätze, jemand zu werden, der nicht ganz alltäglich ist“, hatte eine Psychologin bei der Aufnahme auf das Kolleg in Braunschweig geurteilt.
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„Latten zersplitterten auf der Barriere“# _% X. N% x4 A" o0 I* @3 B

: q9 v! L8 P, S4 vDie meisten Demonstranten vor dem Rathaus wenden sich gegen Folterungen in Persien. Doch treten auch 80 Männer mit persischen Fahnen, Porträts des Schahs und seiner Gattin Soraya auf. Sie führen Holzknüppel mit. Die später so genannten „Jubelperser“, unter ihnen Agenten des Geheimdienstes Savak, belassen es nicht beim Jubeln.
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, _( Y9 j# ^; S# t8 E( nSie knüppeln auf Demonstranten ein, übergeben manche der Polizei, die ihrem Treiben nichts entgegensetzt. „Plötzlich sah ich zu meinem Schrecken, dass einer der Schah-Anhänger mit einem Totschläger . . . auf einen jungen Mann einschlug, der neben mir stand und lediglich gerufen hat“, erinnert sich ein Demonstrant. „Die Angreifer schlugen so heftig zu, dass ihre Latten teilweise auf der Barriere zersplitterten.“5 M3 c; s5 c1 _
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Demonstranten von Polizisten malträtiert- w. X* Q4 z5 I; F" j) o" R
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Am Abend kommen die Demonstranten wieder - vor die Deutsche Oper in der Bismarckstraße, die der Schah besuchen will. Die Polizei lässt zu, dass sie sich auf der Straßenseite gegenüber der Oper versammeln - trotz einer Weisung aus dem Senat, die Oper weiträumiger abzusperren. So kesselt die Polizei die Demonstranten in einem Schlauch ein. Polizeipräsident Erich Duensing bezeichnet ihn später als „Leberwurst“, in die man hineinsteche, um sie an den Enden zum Platzen zu bringen.! K0 h4 {1 F9 g0 K7 z, c- {

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Als die „Jubelperser“ wieder eintreffen, verschärft sich die Situation. Nachdem der Schah in die Oper gelangt ist, beginnt die Polizei eine wilde Knüppelei. Die Demonstranten sind im Schlauch gefangen. Einzelne werden über die Absperrungen gezerrt, vor aller Augen verprügelt. Die Meldung, ein Polizist sei erstochen worden, heizt die Stimmung auf - sie wird über Stunden wiederholt, obwohl sie falsch ist. Immer wieder werden Demonstranten von Polizisten malträtiert. Die Polizei habe „nicht nur im Affekt, sondern ohne gravierende Notwendigkeit, mit Planung einer Brutalität den Lauf gelassen, wie sie bisher nur aus Zeitungsberichten über faschistische oder halbfaschistische Länder bekannt wurde“, schreibt der Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.' u: w. m, Y* A! c

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9 h. F& u4 |8 D" ^„Bist du wahnsinnig?“4 G4 b0 y8 w2 r$ Y2 F: y; ]

3 N0 J& R/ C5 c" c+ UDer Regierende Bürgermeister Heinrich Albertz und sein Innensenator sind in der Oper und werden nicht über den Einsatz unterrichtet. Langsam bewegen sich die Demonstranten in Richtung Krumme Straße, einige werfen Steine, die Polizei setzt Wasserwerfer ein. Um „Füchse zu jagen“, also Rädelsführer festzunehmen, setzt die Polizeiführung nun Beamte in Zivil ein, die ihre Dienstwaffe tragen. Einer dieser „Greifer“ ist der Polizist Karl-Heinz Kurras.
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4 f% C# M3 I0 IEin Rädelsführer - der angeblich durch seine Trillerpfeife auffällt - rennt in den Hof des Hauses Krumme Straße 66/67, verfolgt von Polizisten. Dort geht auch Ohnesorg hin. Die Polizei erobert den Hof, die Demonstranten laufen hinaus. Ohnesorg ist einer der Letzten im Hof. Während mehrere Polizisten auf ihn einschlagen und ihn festhalten, fällt ein Schuss. Der Student bricht zusammen, die Polizeibeamten schlagen weiter. Erst dann erkennen sie, dass ihr Kollege den Mann in den Kopf geschossen hat. „Bist du wahnsinnig?“, soll einer Kurras angeschrieen haben.1 O' p) A! z5 v( A: A9 A

" U+ L; L6 @! P$ P  p* l8 M
& v) g2 x0 h4 O) f1 V„Ihr habt ihn erschlagen“
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Ein Arzt, der nach dem Schuss Erste Hilfe leisten will, wird von einem Polizisten nicht durchgelassen. Eine Frau legt Ohnesorg sein Transparent unter den Kopf, die Studentin Friederike Dollinger ihre Handtasche. „Was habt ihr gemacht, ihr habt ihn erschlagen“, ruft sie.
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+ u% F) W( |: ]Der Krankenwagen irrt fünfundvierzig Minuten durch die Stadt, bis der schwerverletzte Ohnesorg im Krankenhaus Moabit angenommen wird. Er wird am Kopf operiert, ein Stück Knochen an der Einschussstelle wird entfernt und weggeworfen. Die Einschussstelle wird vernäht. Wann Ohnesorg wirklich starb, ist ungewiss.
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9 R8 d! G+ @4 G# V3 |! [( f9 ^Zeugen widerlegen, es sei Notwehr gewesen
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7 \- G# y0 R4 w# y5 pKarl-Heinz Kurras behauptet vor Gericht, er habe in Notwehr gehandelt. Eine Traube Angreifer habe an seinem Arm gehangen, er habe „Messer aufblitzen“ sehen, da habe sich ein Schuss gelöst. „Wenn ich gezielt geschossen hätte, wie es meine Pflicht gewesen wäre, wären mindestens 18 Mann tot gewesen“, prahlt der Schütze später.
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2 V& V) n+ f! d) v) D  Q: r% nBenno Ohnesorg starb kurz nach Erreichen des Krankenhauses
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Doch Zeugen widerlegen seine Aussage, es sei Notwehr gewesen. Auf Fotos, die wenige Sekunden nach dem Schuss gemacht wurden, ist von den Angreifern nichts zu sehen. „Hansi“, ein neun Jahre alter Junge, berichtet, dass er vom Küchenfenster aus sah, wie ein Mann Ohnesorg erschoss. Seine Aussage wird als „unglaubwürdig“ gewertet.
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Das Gericht unterdrückt zudem den Tonbandmitschnitt eines Redakteurs des Süddeutschen Rundfunks. Eine Minute nachdem ein Schuss fiel, ist in der Aufzeichnung ein Mann zu hören: „Kurras, gleich nach hinten! Los! Schnell weg!“ Obwohl der Richter befindet, dass Kurras „in vielen Dingen die Unwahrheit gesagt hat“, wird der Polizist freigesprochen.
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„Ich war am schwächsten, als ich am härtesten war“
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+ X( X4 B% h% f- ?, BAm Tag nach dem Tod Ohnesorgs hatte der Regierende Bürgermeister Heinrich Albertz den Tod Ohnesorgs den Demonstranten angelastet - er weiß noch nicht, dass der Student erschossen worden ist. Später hat sich der Theologe und SPD-Politiker selbst die Schuld an dem Tod gegeben. Mit einer Bemerkung in der Oper („Ich hoffe, dass sich bei der Abfahrt dieses Schauspiel nicht wiederholt“) habe er wohl den brutalen Polizeieinsatz ausgelöst.+ B- D( R0 B- [

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8 Y5 w! ~1 T) j- T* hDoch ist der Befehl, gegen die Demonstranten im „Schlauch“ vorzugehen, vor dieser Bemerkung gefallen. Albertz hat sich nicht verziehen: „Ich war am schwächsten, als ich am härtesten war, in jener Nacht des 2. Juni, weil ich dort objektiv das Falsche tat.“ Seine innerparteilichen Gegner nutzten den 2. Juni, um ihn - in Folge eines Untersuchungsausschusses - zum Rücktritt zu zwingen.
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„Das ist die Generation von Auschwitz“
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4 V* l9 h4 A- [' H( U7 V' F5 ]: w5 ~Der tote Ohnesorg wird von 15.000 Studenten begleitet. Der Zug geht vom Campus der FU zum Grenzübergang Dreilinden. Der Theologe Helmut Gollwitzer verabschiedet den Leichnam mit einer Rede aus West-Berlin. Im Konvoi wird der Sarg durch die DDR nach Hannover gefahren - Ost-Berlin verzichtet gar auf die Ausstellung der Visa. Am Wege stehen Tausende FDJler, verneigen sich vor dem „Opfer des Militarismus“.
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% P7 A* k( i0 |0 k$ M2 YDie Geschichte der Bundesrepublik wäre ohne diesen 2. Juni anders verlaufen, ganz sicher die Geschichte der RAF und der ihr verwandten Bewegung, die sich nach diesem Tag nannte. Eine Minderheit der Studentenbewegung zog aus dem Tod von Benno Ohnesorg den Schluss, dass die Bundesrepublik faschistisch sei. Andere hatten ihn schon gezogen. Bereits am späten Abend des 2. Juni platzt eine junge Frau in eine Diskussionsrunde des SDS-Zentrums am Kurfürstendamm und berichtet vom Tod Ohnesorgs., J" L! A8 M2 Y& Z7 L* T- U
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5 n0 J' u! ]( y0 o7 ~. J5 f, XSie fordert, eine Polizeikaserne zu überfallen und sich zu bewaffnen. Die Opposition solle physisch vernichtet werden. „Das ist die Generation von Auschwitz, mit der kann man nicht diskutieren“, sagt sie. Der SDS-Funktionär Tilman Fichter beendet die Diskussion, die Runde habe nicht das Recht, etwas zu beschließen. Der Name der jungen Frau war Gudrun Ensslin.7 Z% c9 r, j) V1 C7 J

' T) s0 Z- k: d7 zDas Buch von Uwe Soukup: „Wie starb Benno Ohnesorg? Der 2. Juni 1967“ ist im Verlag 1900 Berlin erschienen.
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[ 本帖最后由 日月光 于 2007-6-2 19:17 编辑 ]




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