, x- l+ y- J8 N! g- Q% B. p # F E$ u1 F! L3 }( \$ e8. Juli 2007, 18:12 Uhr Von Krisztina Koenen1 G/ Y- j) T) V2 s* x3 S
8 J ~) j3 D# G/ b; K. J$ l2 hReportage0 M, ~+ R- R z4 A! I! h9 | |
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China zwischen Boom und Korruption 6 H7 x% {) `3 f3 c1 u4 i! `4 | j! B8 V
Zehn Prozent Wirtschaftswachstum und ausufernde Bestechungsskandale - das ist das China des 21. Jahrhunderts. Oliver August hat die Spur des zwielichtigen Multimilliardärs Lai Changxing verfolgt, durch Freudenhäuser und verfilzte Amtsstuben 1 J# ?6 K7 Z+ Z5 z. a% Z, j; f+ `2 |# [
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So wie hier in Shanghai wird in China überall gebaut. Nicht immer geschieht das vollkommen legal, wie Autor Oliver August eindrucksvoll belegt. % Y! A& _' d/ T; A6 ` 7 Y1 s3 O$ ?5 [. P! c, {1 X5 S- r- I* S) H0 f1 U
Oliver August hatte womöglich gar nichts Weltbewegendes vor. Er wollte nur die Geschichte einer Recherche aufschreiben, einer Recherche, die höchstens ein bisschen leidenschaftlicher und hartnäckiger ausfiel, als dass man sie eine alltägliche nennen könnte. / N8 _4 E6 D, u5 \ o3 [3 n1 H ' z7 u* O7 F' o% f; i; K: u9 KAm Ende wurde ein großartiges Buch daraus, das wie kaum ein anderes deutschsprachiges Werk zuvor tiefe Einblicke in die Gegenwartsgesellschaft Chinas bietet (mit Ausnahme vielleicht der leider wenig beachteten, bösartigen Kurzgeschichten von Rainer Kloubert). & j. b. M4 @0 E( v7 p8 m8 X* LDer Boom: Hochhäuser wachsen wie Pilze & q5 n( ~7 m5 t7 bSo, wie der Mann schreibt, glaubt man es kaum, aber Oliver August ist Deutscher. Er hat allerdings in Oxford studiert und war mit 27 Jahren der jüngste „Times“-Korrespondent aller Zeiten.8 w* n a" C5 I& }; [6 e- K, o
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Nach einem für ihn eher langweiligen Aufenthalt in den Vereinigten Staaten wechselte er 1999 als Korrespondent nach Peking und blieb dort bis 2006. Über Langeweile brauchte er fortan nicht mehr zu klagen.; P3 J& Y8 r: W0 H; _% B4 n/ h3 e
( Y4 ^) b+ a) Y$ \0 [! g, \Er durchlebte eine Zeit, in der das jährliche Wirtschaftswachstum zwischen acht und zehn Prozent lag, neue Städte mit fantastischen Hochhäusern aus dem Boden wuchsen und die Landkarten eigentlich wöchentlich hätten neu gezeichnet werden müssen. / {6 y: e, o5 p+ {
( H# R1 ?9 R( T) FDer Reporter bekommt es mit Polizei und Geheimdienst zu tunIn der viele Millionen Menschen aus ihren Dörfern aufbrachen, um der Armut zu entfliehen und ihre Träume zu verwirklichen. Sie haben Augusts uneingeschränkte Sympathie.1 ~9 C; W1 g6 L: S* _$ I" ]- d
5 Y) c! _1 ?5 wDie Recherche, die dem Buch die innere Struktur gibt, beginnt gleich am Anfang von Augusts Aufenthalt in China und reicht bis an dessen Ende, die eine direkte Folge eben dieser Arbeit war. Er bekam es mit Polizei und Geheimdienst zu tun, die es nicht mochten, dass jemand allzu tief in die Niederungen der chinesischen Gesellschaft blickte. # \0 n' _/ Z* r 4 u+ l0 `' p4 S, pIm Sommer 1999 fangen die chinesischen Medien an, zunächst sehr zaghaft, von einem besonders großen Korruptionsfall zu berichten, in dessen Zentrum ein Mann namens Lai Changxing steht. 2 `. }: L+ R/ [. T5 A8 o3 C7 k- F! Y 6 ?8 L# Y6 E2 V" e2 C. MAuf der Spur des untergetauchten Tycoons ' z% e. l7 ~ L
Lai ist wahrscheinlich mehrfacher Milliardär, ein Emporkömmling ohnegleichen. Ursprünglich ein Bauer, Analphabet, stammt Lai aus einem elenden Dorf, das hundert Kilometer westlich von der glitzernden Küstenstadt Xiamen liegt, einem der Symbole des neuen Lebens in China.+ E! n' @ g/ L
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Dort stehen die Denkmäler seines denkwürdigen Aufstiegs und schier unermesslichen Reichtums: höchste Wolkenkratzer und tiefste Baugruben, eine Filmfabrik, ein detailgetreuer Nachbau der Pekinger Kaiserresidenz und das Rote Haus, ein Freudenhaus, das ausschließlich der Unterhaltung von Lais Günstlingen diente. 2 N3 H, Q& c) T) Y # g* s5 E5 n4 ]6 u0 QAls August mit seiner Recherche beginnt, ist Lai untergetaucht. Also versucht der Reporter, jeder noch so kleinen Spur nachzugehen, die in die Nähe des Tycoons führen könnte, ja er beginnt, seine Wege, seine Entscheidungen und Erlebnisse nachzuvollziehen. + A/ y X% M6 m; l$ ?
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Eine Kahlköpfige eilt zur Hilfe m: l5 I6 y& fSchritt für Schritt dringt er in Milieus ein, in denen sich sonst kaum ein Ausländer aufhält: in die Welt der Huren und Tänzerinnen, der Taxifahrer, Fischer, Bootsfahrer, Tagelöhner und Bauern, aber auch der Bürokraten, der Bestechungsempfänger. ! u+ w/ N$ }9 E6 S! J : q. ?/ U K2 u! gSeine Vorliebe für Außenseiter hilft ihm, zu allem, was er erlebt, kritische und ironische Distanz zu halten. Sein Chinesischlehrer, der extravagante Schriftsteller Xu Xing, Paris-Emigrant und Autor eines in China nicht gedruckten Vagabundenromans, bringt ihm die Kunst bei, Parteislogans zu interpretieren.5 x* m* `8 g5 B% M8 A5 K( u
+ p1 a( n- F) V3 @Bei der Recherche helfen ihm eine offensiv homosexuelle junge Frau, die ihren Schädel regelmäßig kahlrasieren lässt, und ein Student, der lieber das Leben als die vorgeschriebenen Fächer studiert. 9 x; ~# `" }, h$ T& h# k: H" L- ?! D" Q* W E
Tycoon Lai kennt das ABC der Korruption , {/ e9 I) T- l3 a% ?* |Die Suche nach Lai beginnt in einem Xiamener Nachtclub, in dem allabendlich fast hundert Tänzerinnen auftreten und wenn der Kunde möchte, ihm auch andere Freuden als die des Anblicks gewähren. Die Kundschaft sind Geschäftsleute sowie Partei- und Staatsbürokraten.9 W3 ~4 S( z% I3 F# ?3 O
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Der eigentliche Zweck des Clubs ist, eine angemessene Plattform für Korruption zu bieten. Hier werden wirtschaftliche Chancen gehandelt – die Preise sind teure Speisen, dicke Geldumschläge und schöne Mädchen. , Y; x4 g3 A+ @% ^/ v( [: {, `
Korruption ist auch das Geheimnis von Lais Erfolg. Er lernt seine Lektion früh. Als er noch in seinem Heimatdorf, aber schon aufstrebender Unternehmer, sich einmal weigert, der Obrigkeit zu bezahlen, wird seine Schwester krankenhausreif geschlagen. 9 k; Q+ _( z- B; r. _: V7 K" v! Z0 e! }
Nach Lais Sturz werden 600 Personen angeklagt 7 X& o4 u& i/ s% U( _3 o4 g3 W
Ab jetzt weiß Lai, dass es nur darauf ankommt, bei den Abgaben – denn darum handelt es sich – großzügig zu sein. Dann kann man zum Beispiel Waren im Wert von mehr als sechs Milliarden Dollar an allen Behörden vorbei ins Land schmuggeln. 2 z# ~5 S: Z& r6 Z0 V* P " e3 w8 B) i( yIn dem Maße wie er aufsteigt, weitet sich der Kreis, der von Lai Abgaben entgegennimmt: Nach seinem Sturz werden mehrere tausend Mitglieder aus der Partei ausgeschlossen, 600 Leute angeklagt und 14 Todesurteile ausgesprochen. 4 G8 }1 g# ?( ^0 V; K
Lais Ende hatte womöglich etwas mit dem WTO-Beitritt Chinas zu tun, vielleicht war er auch zu mächtig geworden. Womit der Prozess dagegen gar nichts zu tun hatte, war der Wunsch der Regierung oder der Parteiführung, die Korruption einzudämmen. 1 C2 A7 F( z; i* |6 v
, v) D5 L$ `: @# |Die "gekaufte Revolution" " F& d8 R# Z! Z. ]5 T! t5 |
Auch wenn hohe Parteifunktionäre wie zuletzt bei der Tagung des Volkskongresses wortreich betonen, die grassierende Korruption bekämpfen zu wollen, ist dies kaum ernst zu nehmen. Denn Korruption ist eines der Strukturmerkmale des heutigen Gesellschaftssystems: Die Kommunistische Partei und die Bürokraten aller Ebenen bilden eine Klasse von Rentiers, die sich durch Abgaben der Wirtschaftsteilnehmer aller Größenordnungen alimentieren lassen.' h& Z( M! `! @! j/ K" O, Q
+ S$ A% _* l+ g; ZDafür erhalten die aufstrebenden Unternehmer, vom Taxifahrer über den Nachtklubbesitzer bis hin zum Milliardär bestimmte Freiheiten außerhalb des Gesetzes. Jede der so erworbenen Freiheiten ist einmalig, hat Testcharakter, und wenn eine unter der Hand gewährte Freiheit sich nicht mehr eindämmen lässt, dann sickert sie ein ins Gesetz, wie zuletzt die Sicherung des persönlichen Eigentums durch den Volkskongress.$ i' `3 C( z9 i) e- J: G
! }8 A3 c [: s( JDas „Ausfransen von den Rändern her“ – wie August es nennt – ist gewollt. Es ist ein Experimentierfeld, die kontrollierte – oder auch gekaufte – Revolution selbst. " ~& ^. L: T7 H3 t( _6 t
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Welchen Preis zahlen die ausländischen Unternehmen? & o4 P0 f( `8 B8 ^
„Wenn es eine Geschichte gibt, die all diese Widersprüche aufzeigt, dann die von Lai Changxing“, schreibt August. Doch diese Geschichte wäre viel weniger wert ohne den Autor Oliver August. Er ist ein unvoreingenommener und unideologischer Berichterstatter, mit einer großen Empathie zu den Menschen und ihrem unbedingten Willen zum Aufstieg, ihrem Streben nach Glück.. j" b! c: Y1 t: G" F0 ^
# G3 o- t9 u1 G! B) PEr verfällt nicht der deutschen China-Manie, lässt sich weder von Größe noch von Geld beeindrucken. Von seinen Idealen, der Freiheit und der Herrschaft des Rechts, macht er nicht die kleinsten Abstriche, wie es China-Verehrer sonst so gern tun. Und weil er sich selbst nicht allzu ernst nimmt, sind die Geschichten, die er erzählt, trotz ihrer Ernsthaftigkeit ganz leicht und oft auch sehr komisch.; W' a1 _4 G& F8 F% v- n: f& j
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Hat man das Buch zu Ende gelesen, lassen einige bohrende Fragen den Leser nicht mehr los: Wie bewegen sich bloß in diesem System der gekauften Freiheiten die ausländischen Unternehmen? Welchen Preis sind sie bereit, für ihre Handlungsspielräume zu entrichten? An wen? Und mit welchen Folgen für sich selbst? Vielleicht beantwortet uns August diese Fragen in seinem nächsten Buch.0 C/ A ^+ g# e2 k9 h: P
, G, }% b. M( f3 F& MOliver August: Auf der Suche nach dem Roten Tycoon – Chinas kapitalistische Revolution. Eichborn, Frankfurt/M. 424 S., 22,90 Euro.